Einfach nur schwitzen ist in deutschen Sauna-Landschaften schon lange nicht mehr alles. Zur halben oder vollen Stunde versammelt man sich in den dann auf einmal recht eng wirkenden Räumlichkeiten und wartet auf das Erscheinen des (Sauna-)Meisters, der den ersehnten Höhepunkt des Schwitzgangs setzen wird: den Aufguss!
Früher war das ein schlichtes “Wasser auf heiße Steine gießen”, oft noch von den Gästen selbst bei Bedarf zu vollziehen. Heute ist es ein mal mehr, mal weniger kunstvoll zelebriertes Ritual, das sich über fünf und mehr Minuten erstrecken kann.
Erst wedelt der Meister bei offener Tür frische Luft in die Sauna, dann wird dicht gemacht und ein Schild “Achtung, Aufguss!” hindert zu spät Kommende am Eintreten. Für die Glücklichen, die im inneren Kreis der Adepten Platz fanden, gilt ab jetzt: “Keiner verlässt den Raum!”. Nur bei schwer wiegendem Unwohlsein darf man es wagen, die Flucht anzutreten. Nach kurzer Begrüßung des Zeremonienmeisters tritt nun Schweigen ein, jegliches Flüstern untereinander wird sofort gerügt. Zischend verdampft das Wasser des ersten Aufgusses auf dem Sauna-Ofen und ein wundersamer Duft verbreitet sich im Raum: Fichte, Eukalyptus, Latschenkiefer, Zitrus, Menthol oder Minze sind die klassischen Düfte, doch wird mancherorts auch mal exotisches wie “Slibovitz” oder “Bergkräuter” geboten. Die gefühlte Hitze steigt durch den heißen Dampf locker um zehn Grad, bei jedem neuen Aufguss wird es entsprechend heißer. Wer ganz oben sitzt, muss recht hart im Nehmen sein, um den Gluthauch zu ertragen, weshalb sich Kundige und Einsteiger eher auf den mittleren Bänken drängen.
Bis zu dreimal gießt der Saunameister auf. Jedem Guss folgt eine kleine Pause zum bloßen Spüren und Genießen, dann kommt der Kräfte-zehrende Teil des Saunameister-Jobs: das Wedeln. Mit einem großen Handtuch verwirbelt er den heißen Dampf im Saunaraum und schlägt ihn auf die Schwitzenden herunter. Der Wasserdampf kondensiert auf der kühleren Haut und überträgt dabei seine Hitze auf den Körper. Mit jedem Guss und jedem Wedeln wird es heißer und heftiger, der Gluthauch brennender - in manchen Saunas werden deshalb zwischen den Aufgüssen Eimer mit Eiswürfeln herum gereicht.
Zum Ende verabschiedet das Publikum den “Meister des Rituals” mit einem Applaus, der je nach Güte des Wedelns und persönlicher Ausstrahlung während der Zeremonie mal mehr, mal weniger begeistert ausfällt. Anschließend leert sich die Sauna in Windeseile, alle streben ins kühle Nass, das dem aufgeheizten Körper die nötige Erleichterung bietet.
Ich liebe das Aufgussritual und freue mich, wenn sich die Betreiber immer neue Varianten einfallen lassen. Ganz besonders beeindruckt hat mich mal ein “Salz-Aufguss”: nach kurzem Vorschwitzen rieb man sich mit grobem Meersalz ein und erlebte den Aufguss dann derart “eingesalzen”. Wow, was für ein verrücktes Gefühl! Heiß und kalt zugleich, denn das Salz entzieht der Hautoberfläche Wasser und erzeugt dadurch Verdunstungskälte. Ein angenehmer Peelingeffekt ist auch damit verbunden, abgestorbene Hautschüppchen werden entfernt und die Durchblutung der oberen Hautschicht wird gefördert. Klar, dass man sich vom Salz erst DRAUSSEN reinigt!
# Link | Christiane Bach | Dieser Artikel erschien am Samstag, 02. Dezember 2006 um 08:49 Uhr in Wellness: Erfahrungen | 8906 Aufrufe
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